Ursprung und Entwicklung der Rasse.
ie Stadt Leonberg liegt in der Nähe von Stuttgart. Hier lebte von 1808 bis 1887 Heinrich Essig, der als Stadtrat hohes Ansehen genoss. Auf seinem Hof wurden Federvieh aller Art, andere Tiere und Hunde verschiedener Rassen gehalten und gezüchtet. Er verkaufte im Jahr zwischen 200 und 300 Hunde, so dass er nach heutigen Maßstäben durchaus als Hundehändler im landläufigen Sinne anzusehen wäre. Dies darf uns aber nicht hindern, sein züchterisches Werk voller Achtung zu würdigen.
Wie man annimmt, hatte er sich das hohe Ziel gesetzt, einen Hund zu züchten, der in seinem Erscheinungsbild einem Löwen, dem Wappentier Leonbergs, nahe kam. Als Ausgangstiere dienten hierzu eine von ihm als Besonderheit geschätzte schwarz-weiße Neufundländer-Hündin – heute als „Landseer“ bekannt – und ein großer, langhaariger St.- Bernhardsrüde aus dem Klosterhospiz Großer St. Bernhard, zu dem Essig guten Kontakt pflegte. Aus dieser Paarung fielen schwarz-weiß gefleckte Jungtiere, die etwa Bernhardiner- Größe erreichten. Da das Wesen der Tiere die gewünschte Eignung als Wach- und Hofhunde aufwies, wurden sie über 4 Generationen weitergezüchtet.
Um den erreichten Stand zu sichern, tauschte Essig einen zweiten Bernhardiner- Rüden aus dem Kloster St. Bernhard gegen zwei seiner Kreuzungshunde. Später erklärte ihm der Abt des Klosters, dass diese beiden Jungtiere mehr als die Bernhardiner zu leisten vermochten. Essig bevorzugte bei seiner Neuzüchtung viel weiß. Um diese Farbe zu erhalten, kreuzte er einen Pyrenäen- Berghund ein, den er verfügbar hatte. Diese ziemlich großen Hunde existieren in verschiedenen Farbschlägen, jedoch vorwiegend mit langen, weißen Haaren. Der erste, wirkliche „Leonberger“ genannte Hund wurde 1846 geboren und machte seine Heimatstadt somit zur ältesten, urkundlich belegten Hundezuchtstätte Deutschlands. Es war gelungen, in dieser neuen Rasse die hervorragenden Eigenschaften des Bernhardiners, des Neufundländers und des Pyrenäen- Hundes zu vereinigen. Dies erklärt, warum der Leonberger nun einen Siegeszug sondergleichen antrat. Auf einer Ausstellung anlässlich des Oktoberfestes in München wurden Hunde aus der Essigschen Zucht gezeigt, über die ein Pressebericht sagt: „Der Schönste dieser Hunde war gelblich braun mit schwarzen Schattierungen, etwa wie ein Löwe und auch Löwenartig in seinem prachtvollen Wuchs.“
Im Jahr 1870 schreibt eine österreichische Zeitung über den ersten der 7 neuen Hunde der Kaiserin Elisabeth: „Ihre Majestät die Kaiserin ist seit ihrer Rückkehr aus Rom im Besitz eines prachtvollen Leonberger- Hundes. In ganz Österreich dürfte kein zweites Exemplar dieser Rasse zu finden sein. Das Tier, welches ein blendend- silberweißes Haar hat während die Gehänge braun sind, ist höher und stärker als der Neufundländer. Der neue Hund macht täglich die Fahrten in den Prater mit seiner Herrin mit.“
Kaiser Napoleon III. in Frankreich, der Prince of Wales in England, König Umberto in Italien und der italienische Nationalheld Garibaldi waren stolz auf ihre Leonberger. Aber auch in Deutschland fand die neue Rasse berühmte Liebhaber, z.B. Großherzog Friedrich von Baden, Richard Wagner, und Bismarck. Der Dichter Ferdinand Freiligrath besuchte 1869 sogar den Hundepark zu Leonberg. In jüngster Vergangenheit besaßen, um nur wenige Beispiele zu nennen, die Familie des Komponisten Carl Orff und der Sänger Adamo Leonberger- Hunde, der Sänger Ivan Rebroff hat sie sogar jahrelang gezüchtet.
Die überragende Bedeutung Essigs für den Erfolg der Leonberger-Zucht wurde später erst deutlich, als es nach seinem Tod 1889 damit schnell bergab ging. Der Verlust an Ansehen dieser Rasse ist besonders aus dem Buch von Strebel (1905) „Die Deutschen Hunde und ihre Abstammung mit Hinzuziehung und Besprechung sämtlicher Hunderassen“ erkennbar. Er schreibt:: „… so kam die Zeit, wo man gegen die Leonberger-Zucht zu Felde zog als eine unangenehme Begleiterscheinung der Bernhardiner-Zucht. Man brachte es fertig, sie in Acht und Bann zu tun: Was man nicht definieren kann, das sieht man gut als Leonberger an.“
Dennoch taten sich überall Freunde des Leonbergers zusammen, um das Fortbestehen dieser wunderbaren Rasse zu sichern. So entstanden im Jahre 1895 der „Internationale Club für Leonberger Hunde“, Sitz Stuttgart; 1901 der „Nationale Leonbergerclub“, Sitz Abholda/ Thüringen, und 1908 der „Leonbergerclub“, Sitz Heidelberg.
Die beiden Weltkriege mit den darauffolgenden Notzeiten brachten schwere Rückschläge. Doch fanden sich sowohl in den 20er Jahren, wie auch nach 1945 einige Idealisten, die Reste der Rasse sammelten und versuchten, eine neue Zuchtbasis aufzubauen. Am 10.Juni 1948 wurde der „Deutsche Club für Leonberger Hunde e.V.“ (DCLH), Sitz Leonberg gegründet, der heute noch die Interessen der Leonberger-Rasse und ihrer Freunde vertritt, das Zuchtbuch führt und Mitglied im „Verband für das Deutsche Hundewesen“ (VDH) und der „Federation Cynologique Internationale“ (FCI) ist.
Seit vielen Jahren gibt es auch wieder Clubs in Holland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Belgien, Frankreich, Österreich, Italien und der Schweiz, neuerdings sogar in den USA, Tschechien, der Slowakei und Spanien.
Bereits am 27.September 1975 wurde auf Initiative des damaligen 1.Vorsitzenden des Deutschen Clubs, Robert Beutelsbacher, im Rathaus der Stadt Leonberg die „Internationale Union für Leonberger Hunde gegründet, der alle diese Clubs angehören.
Nach der Wende in der DDR wurde dort ebenfalls ein Leonberger-Club gegründet, dessen Mitglieder aber Ende 1990 dem Deutschen Club für Leonberger Hunde beitraten. Die Zucht in der damaligen DDR hatte teilweise ein hohes Niveau. In den 80er Jahren vielen dort durchschnittlich 150 Welpen im Jahr. Dank der Einsicht der Verantwortlichen gibt es auch in Gesamtdeutschland nur einen Leonberger -Club, so dass alle an einem Strang zeihen.
Inzwischen gibt es in Europa wieder einige Tausend Leonberger-Hunde, allein in Deutschland wurden in den letzten Jahren im Schnitt etwa 600 Welpen jährlich aufgezogen. Dennoch ist der Leonberger eine seltene Rasse geblieben, und es kann sogar vorkommen, dass man in der Stadt Leonberg verschiedentlich nach der Rasse seiner Hunde gefragt wird, obwohl der jeweilige Oberbürgermeister von jeher Schirmherr der Zucht ist.
Quelle: Dein Hund „Leonberger“ von Hannelie Schmitt und Gerhard Zerle